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"Wie wollen wir...unseren Kindern auf die Dauer glaubwürdig erklären, wir hätten von
den Umweltproblemen...nichts gewußt, oder wir wären machtlos gewesen, etwas dagegen
zu tun, oder wir hätten das tatsächlich...Mögliche getan, um die sich in den Tropen
anbahnenden Umweltkatastrophen zu verhindern, die...unser aller Zukunft bedrohen??!!
Vor dieser Frage können wir uns nicht drücken..."
Wolfgang J. Junk (1989)
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1. Der tropische immergrüne Regenwald
1.1 Eigenschaften
1.2 Bodentypen
2. Gefahren für den Regenwald
2.1 Nutzung des Regenwaldes
2.2 Goldrausch im Regenwald
2.3 Der Raubbau an Nutzhölzern
3 Ökologisch-verträgliche Nutzung der tropischen Regenwälder
4 Das Ausmaß der bisherigen Zerstörung und Prognosen für die Zukunft

1. Der tropische immergrüne Regenwald
1.1 Eigenschaften
Im Bereich des immerfeuchten Tropenklimas hat sich ein Ökosystem herausgebildet,
welches als immergrüner tropischer Regenwald bezeichnet wird. Es ist das
artenreichste Ökosystem der Erde. Millionen von Pflanzen- und Tierarten (viele sind
noch unerforscht) existieren in einer unauflöslichen Lebensgemeinschaft, die meisten
davon im Kronendach des Waldes. Von der Biomasse der Erde entfallen ca. 55% auf die
tropischen Regenwälder. Diese Vegetationszone ist von ca. 10° nördlicher Breite bis
ca. 10° südlicher Breite verbreitet.
Schwerpunktgebiete auf der Erde sind:
-das Amazonasgebiet bis zu den Osthängen der Anden
-der indo-malaiische Raum
-in Afrika von der Guineaküste bis zum Kongobecken
Der Wasserhaushalt des tropischen Regenwaldes ist gekennzeichnet durch ganzjährig
hohe Niederschläge (Niederschlagssumme > 2000 mm) und durch eine doppelte Regenzeit
(Zenitalregen). Die Trockenzeiten sind nur schwach ausgebildet. Es existieren 12-10
humide Monate bei Temperaturen 25-27 °C (Tageszeitenklima). Das klimatische Geschehen
bildet einen fast geschlossenen Kreislauf. Das von den Blättern verdunstete Wasser
kondensiert zu Regenwolken, die als Zenitalregen jeden Tag das Wasser dem Regenwald
zurückgeben.
Der tropische Regenwald wird als immergrün bezeichnet, weil seine Laubbäume
ganzjährig Blätter tragen. Das Absterben und Abfallen der Blätter vollzieht sich an
einem Baum unterschiedlich, manchmal sogar von Ast zu Ast verschieden. Während z.B.
ein Ast frische Triebe trägt, hat ein anderer voll entfaltete Blätter, der dritte
wirft die Blätter gerade ab und der vierte trägt keine Blätter mehr. In den oberen
Stockwerken findet man auch Epiphyten (Aufsitzpflanzen).
Der Regenwald besitzt einen Stockwerkbau. Die Bodenschicht besteht aus Farnen,
Flechten und Moosen. Im 1. Stockwerk wachsen junge Bäume, kleine Baumarten und
Sträucher. Größere Bäume mit dichtem Blätterdach und einer Wuchshöhe von 20-40 m
findet man im 2. Stockwerk. Das dritte und höchste Stockwerk wird von einzelnen
Baumriesen mit einer Höhe bis 60 m (100 m) eingenommen.
Es besteht ein Widerspruch darin, daß die fruchtbarste und produktivste
Lebensgemeinschaft der Welt auf unfruchtbarem Boden wächst. Im ausgeglichenen Klima
der immerfeuchten Tropen ist ganzjähriges, unablässiges Wachstum möglich. Alle
Abfallstoffe werden von Pilzen und Kleintieren aufbereitet und auf schnellste Weise
in den Nahrungskreislauf des Waldes zurückgeführt. Ein Humusspeicher im Boden, wie in
unseren Breiten üblich, entsteht daher nicht. Es existiert somit ein
kurzgeschlossener Kreislauf der Nährstoffe.
1.2 Bodentypen
Der vorherrschende Bodentyp im Gebiet der Terra firme des amazonischen Tieflandes
sind die Latosole (neu Ferralsole, auch Oxisole, Roterden). Die Hauptursache für das
Entstehen dieser speziellen Bodentypen sind die besonderen klimatischen Bedingungen.
Durch das immer- bis wechselfeuchte tropische Klima mit hohen Niederschlägen über
fast das ganze Jahr hindurch und hohen Temperaturen herrschen intensive chemische
Verwitterung mit gleichzeitig relativ starker Bodenauswaschung. Das führte über
Jahrmillionen hindurch zu tiefreichenden Verwitterungsdecken und mächtigen
Bodenprofilen.
Infolge hoher Temperaturen und starker Durchfeuchtung über einen langen Zeitraum sind
die Silikatverbindungen intensiv verwittert, alle basisch wirkenden Kationen
ausgewaschen und fast ausschließlich Kaolinite neugebildet. Außerdem wird Kieselsäure
gelöst und durch die reichlichen Sickerwässer weggeführt (Desilifizierung). Zurück
bleiben Eisen- und Aluminiumoxide (Sesquioxide), die oft für die typische rote Farbe
der Böden verantwortlich sind (besonders Hämatit, ein Eisenoxid).
Ganz offensichtlich spielt der Boden somit im Amazonasgebiet nicht die Rolle als
Nährstofflieferant, wie wir es aus den gemäßigten Breiten kennen. Sioli sagt dazu:
"Eine notwendige Schlußfolgerung ist, daß der Wald de facto nur auf, aber nicht aus
dem Boden wächst, daß er diesen vielmehr nur als Substrat für seine mechanische
Fixierung anstatt als Nährstoffquelle benutzt und statt dessen in einem geschlossenen
Nährstoffkreislauf lebt."
Aufgabe 1: Begründen Sie, warum die Tropen nicht zu den Kornkammern der Menschheit
werden können!
Der tropische Regenwald konnte auf den äußerst nährstoffarmen Böden eine überaus
üppige Vegetation mit der höchsten Primärproduktionsrate überhaupt entwickeln. Die
Erklärung liegt darin, daß fast der gesamte Nährstoffvorrat in der Phytomasse selbst,
im lebenden und gerade abgestorbenen organischen Material liegt. Dieser
Stoffkreislauf ist außerordentlich schnell und sehr direkt. Die geringen Verluste
werden wahrscheinlich zum Großteil durch die Nährstoffe ausgeglichen, die aus den
Niederschlägen kommen. Mit den Passatwinden transportierter Staub aus der Sahara
spielt dabei wahrscheinlich eine wichtige Rolle.
Der tropische Regenwald stirbt in einem atemberaubenden Tempo. Die
Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) hat für 1980 elf Millionen
Hektar zerstörten Regenwaldes gemeldet. Innerhalb von nur 10 Jahren (1990) wuchs die
Fläche auf ca. 22 Millionen Hektar an. Bereits die Hälfte des tropischen Regenwaldes
ist durch Brandrodung und Holzeinschlag vernichtet oder stark geschädigt. Global
werden 86 Prozent des Holzes verbrannt und nur 14 Prozent werden für Nutzholz
verwendet. Mit dem Regenwald verschwinden ca. 50 Pflanzen und Tierarten - täglich.
2. Gefahren für den Regenwald
Folgende Gefahren bedrohen den tropischen Regenwald:
-Bau von Verkehrswegen
-Brandrodung durch Kleinbauern
-Brandrodung durch Großgrundbesitzern mit anschließender Nutzung für die Plantagen- und Viehwirtschaft
-Tropenholzeinschlag
-Abbau von Rohstoffen (und der damit verbundenen Flächennutzung, Bau von Verkehrswegen, Bau von Industrieanlagen, Nutzung des Holzes als Bau- und
Heizmaterial, Anlage von landwirtschaftlichen Flächen zur Versorgung der Arbeiter u.a.m.)
-Bau von Staudämmen (Nutzung großes Areale der wenig relieffierten Flußauen)
Die Vernichtung des tropischen Regenwaldes hat regionale und globale Auswirkungen.
Die Zerstörung des primären Regenwaldes ist unumkehrbar, genauso wie der Verlust der
genetischen Vielfalt. Dort wo der Wald gerodet wird bleibt unfruchtbarer Boden
zurück, der anfällig für die Bodenerosion wird. Selbst kleinere Eingriffe brauchen
viele Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahrhunderte zur Regeneration. Der Regenwald ist ein
sehr bedeutender Sauerstoffproduzent für die Erde. Der Aufbau der organischen Materie
durch das Wachstum der Pflanzen verbraucht Kohlendioxid und wirkt dem Treibhauseffekt
entgegen. Das Verbrennen der tropischen Regenwälder beschleunigt durch die
Freisetzung des Treibhausgases CO2 die Erwärmung der Erdatmosphäre.
Folgende Gefahren gehen vom Regenwald durch seine Vernichtung aus:
-Freisetzung des Treibhausgases CO2 bei der Brandrodung
-Freisetzung des Treibhausgases Methan bei der Tierhaltung und dem Staudammbau
-Freisetzung von Wärme bei der Brandrodung
-Luftverschmutzung durch die Brandrodung (siehe Indonesien Frühjahr 1997)
-Degradierung des Bodens durch Brandrodungs-, Plantagen- und Viehwirtschaft
Als eine Alternative, die eine nachhaltige, ökologisch angepaßte Nutzung des
Potentials des tropischen Regenwaldes zuläßt, sind die Kautschukzapfer zu nennen.
Diese Kautschukzapfer sind eine der Bevölkerungsgruppen, die durch ihre Form der
Bewirtschaftung der Wälder aktiv zu deren Erhaltung beitragen. Die Sammelwirtschaft
ist die Form der Nutzung, die - obwohl seit Jahrtausenden durch die Indianer
praktiziert - zu keinen ökologischen Schäden geführt hat. Seit dem Rückgang des
Kautschukbooms haben sich die Zapfer auch auf das Sammeln der anderer Produkte des
Waldes verlegt.
2.1 Nutzung des Regenwaldes
Im Jahr 1970 begann mit dem Bau der Transamazonica der entscheidende Schritt,
weiterführende Pläne in die Tat umzusetzen. Die damit verbundenen Hauptzielstellungen
waren:
- weitere Integration der Amazonasgebiete in das brasilianische Staats- und Wirtschaftsgefüge sowie Stärkung der geopolitischen Situation Brasiliens,
- Erschließung von Siedlungs- und Wirtschaftsraum für Hunderttausende
landloser Bauern, insbesondere aus dem dürregefährdetem Nordosten Brasiliens,
- Verdrängung des Problems der ungerechten Bodenverteilung in der
brasilianischen Landwirtschaft durch Agrakolonisation an Stelle einer
notwendigen, aber von der Agraroligarchie energisch bekämpften Agrarreform.
Die beiden besonders wichtigen Punkte 2 und 3 gestalteten sich aber nicht so wie erwartet.
War 1970 noch geplant, in 10 Jahren etwa 1 Million Familien entlang der
Transamazonica anzusiedeln, so wurde diese Absicht schnell auf 100.000 Familien bis
1975 reduziert. Im Endeffekt waren es zu diesem Zeitpunkt aber nur 7.000 Familien.
Die Gründe dafür liegen in organisatorischen Mängeln und besonders in der mangelnden
Qualität des Bodens, der eine dauerhafte Nutzung mit stabilen Erträgen nicht zuläßt.
Trotz des Fehlschlags der offiziellen Transamazonica-Siedlungspolitik spielt der
Brandrodungsackerbau auch heute noch eine nicht zu unterschätzende Rolle. Kleinbauern
dringen auf neugebauten Straßen und Holzeinschlagsschneisen als Pioniere weiter in
den Regenwald vor. Sie verbrennen die Vegetation, pflanzen 3-4 Jahre Gemüse an und
ziehen dann weiter, da die Erträge so weit absinken, daß sie nicht einmal mehr fürs
Überleben ausreichen.
Meist folgen Großgrundbesitzer, die das Land billig erwerben und darauf Rinderzucht
betreiben, deren Erträge in den Export (z.B. EG) gehen, während die einheimische
Bevölkerung hungert.
Das eigentliche Grundproblem ist die ungerechte Verteilung des Bodens in Brasilien.
1% der Landbesitzer verfügen über 43% des fruchtbaren Bodens, der meist nicht für den
Anbau von Grundnahrungsmitteln genutzt wird sondern oft für Exportprodukte wie Kaffee
und Zuckerrohr oder einfach nur brach liegt.
Der Erlös aus dem Verkauf dieser Produkte fließt demzufolge zum Großteil auch
in die Taschen dieser Großgrundbesitzer.
Dagegen versuchen 50% der restlichen Landbesitzer ihre Existenz mit 3% Bodenfläche zu
sichern, die oft in der Qualität noch unter der des Großgrundbesitzes liegt.
Die Brandrodung geschieht zum einen Teil durch umherziehende Siedlerfamilien, die
aufgrund der Bevölkerungsexplosion und fehlender Reformen in der Landwirtschaft in
diese Gebiete gedrängt werden und versuchen, dort ihr Überleben zu sichern, sei es
auch immer nur für drei oder vier Jahre.
Der Großteil der Brandrodung dient aber der Schaffung riesiger Viehweiden und
Plantagen der Großgrundbesitzer und ausländischen Unternehmen. Man schätzt diese
Fläche in Brasilien im Jahr auf 20.000 Quadratkilometer.
Zwei Beispiele sollen zeigen, wie Europa am Hunger in Brasilien und an der
Zerstörung der amazonischen Regenwälder beteiligt ist.
Brasilien ist heute das größte Exportland für Sojaschrot. Während nach Schätzungen
der FAO etwa 30 Millionen Brasilianer hungern müssen, exportiert das Land Millionen
Tonnen Soja (1981 9,5 Mill. t) als Futtermittel - etwa die Hälfte davon in die EG.
Seit Beginn der 80er Jahre tritt ein neuer Faktor der Regenwaldzerstörung auf den
Plan, der innerhalb von 30 Jahren ein Gebiet von der Größe der alten Bundesländer
zerstören soll - der Bau von riesigen Staudämmen.
1984 wurde der Tucurui- Stausee am Rio Tocantins im Bundesstaat Para geflutet. Dabei
wurde eine Fläche von 2.430 Quadratkilometern tropischen Regenwaldes
unwiederbringlich zerstört. Da nur etwa 10% der Waldfläche vorher gerodet wurden,
setzten sehr schnell Fäulnisprozesse ein, giftige Gase wurden freigesetzt. 25.000
Menschen mußten wegen des Stausees ihr Land verlassen, darunter die Indianervölker
der Gavioes, Parakana und Guajajara. Ökonomisch erwies sich Tucurui als Fehlschlag.
Die Kilowattstunde kostet die Betreiberfirma Elektronorte 2,7 Pence, sie wird jedoch
für 1,2 Pence an die Aluminiumwerke Albras in Barcarena und Alumar in Sao Luis
abgegeben. Diese vom Staat subventionierte Stromerzeugung kostet das Land jährlich
230 Millionen US-Dollar.nach HOPPE, S.203)
Der Balbina-Stausee, 1987 geflutet, hat 2.500 Quadratkilometer Regenwald überflutet.
Das dort gebaute Wasserkraftwerk sollte eine Energieleistung von 250 MW für die Freihandelszone Manaus liefern. Tatsächlich produziert es aber nur 94 MW und ist mit
seinen Baukosten von 1 Milliarde US-Dollar Brasiliens teuerster Stromproduzent.
Auch hier mußten viele Menschen umziehen, der Wald wurde nicht gefällt, die oben
genannten Folgeerscheinungen traten ein.
Diese zwei Beispiele stehen symptomatisch für alle anderen.
Die Probleme sind immer die gleichen:
-Durch die geomorphologischen Gegebenheiten, besonders das geringe Gefälle, müssen riesige Flächen überflutet werden, die Flora und Fauna wird vernichtet.
-Oft sind die Zuflüsse zu gering, um die erhöhten Verdunstungsraten auszugleichen.
-Da der Wald vor der Überflutung nur zum Teil oder gar nicht gerodet wird, setzen oft Fäulnisprozesse ein. Um dies zu verhindern, werden dioxinhaltige
Entlaubungsmittel benutzt, was zur Verseuchung der Gewässer führt.
-Es besteht nur eine sehr geringe Zirkulation der Gewässer, was zur Folge hat, daß es doch zu Fäulnisprozessen und starker Eutrophierung kommt. Der See "kippt
um", es entstehen Schwefelwasserstoffe, er wird zum Brutgebiet von Moskitos, die Malaria übertragen.
-Tausende Menschen werden umgesiedelt. Die Indianervölker verlieren ihre Lebensgrundlage und ihre Kultur - sie sterben aus.
-Durch viele vorher nicht beachtete Probleme stiegen die Kosten weit über die geplanten Finanzen hinaus. Der Strom wird so teuer, daß er vom Staat gestützt werden muß.
-Viele Kraftwerke erreichen nicht die geplante Leistung, eine weitere Verteuerung des Stromes ist die Folge.
In der Serra dos Carajas, im Bundesstaat Para, wurde 1967 das größte
Eisenerzvorkommen der Welt mit 18 Milliarden Tonnen entdeckt. Neben Eisenerz wurden
auch noch große Mengen anderer Bodenschätze, wie Kupfer-, Mangan-, Nickel-, Zink- und
Zinnerze, Bauxit und Gold gefunden.
Das Anfang der 80er Jahre in Angriff genommene Projekt Grande Carajas umfaßt
ein Gebiet von 900.000 Quadratkilometern. Geplant ist eine gigantische industrielle
Zone mit dem eigentlichen Erzabbau, Hüttenwerken zur Verarbeitung, riesigen Talsperren zur Energiegewinnung, Schienen- und Wasserwegen, Industriezentren und
Viehzuchtprojekten - all das im tropischen Regenwald.
Kernstück von Grande Carajas ist das Eisenerzprojekt, das jährlich allein bis zu 35
Millionen Tonnen Eisenerz exportiert. Außer der Erschließung der Mine umfaßt es den
Bau eines Meereshafens und einer 900 Kilometer langen Eisenbahnstrecke.
Die Auswirkungen auf den Regenwald sind unvorstellbar. Da es in diesem Gebiet keine
Kohlevorkommen gibt, wird für die Verhüttung des Eisens Holzkohle benötigt. Für je
vier Tonnen Eisen wird ein Hektar Regenwald gerodet. Über 500.000 Hektar Regenwald
fallen so jährlich der Eisenproduktion zum Opfer. Die Bergbauunternehmen halten sich
nicht mehr an die Auflagen, für Wiederaufforstung zu sorgen und die brasilianische
Regierung duldet es stillschweigend.
Umweltgruppen aus aller Welt haben dazu aufgerufen, Brasilien alle Kredite zu
verweigern, solange Regenwald zu Holzkohle verarbeitet wird. Diese Forderung wurde
bisher, unter anderem auch von der Bundesregierung, ignoriert.
2.2 Goldrausch im Regenwald
Ein mittlerweile ebenfalls treibender Faktor bei der Zerstörung der amazonischen
Regenwälder sind die Goldwäscher.
Man schätzt eine Zahl von 150.000, die besonders in das
Gebiet der Yanomami-Indianer eingedrungen sind und zu einer ernsten Gefahr für das
Überleben dieses Stammes geworden sind.
1975 hatte RADAMBRASIL mit Berichten über geologische Untersuchungen Goldsucher,
Abenteurer und Spekulanten in den Regenwald gelockt. Obwohl das Eindringen illegal
war und auch noch ist, ergreifen weder der Gouverneur von Roraima, noch die
brasilianische Regierung oder die Indianerbehörde FUNAI konsequente Maßnahmen, um das
Gebiet räumen zu lassen oder dem Zulauf Einhalt zu gebieten.
Inzwischen sind weit über Hundert Flugpisten in den Urwald geschlagen worden, neue
Straßen angelegt und Siedlungen errichtet worden. Über 500 Flüge pro Tag
transportieren Material und neue Goldsucher zu den Garimpos (Minenstätten).
Die Goldsucher schlämmen mit einem starken Wasserstrahl das goldhaltige Erdreich der
Flüsse auf und pumpen den Schlamm
über eine Sedimentationstreppe, auf der sich das schwere Gold absetzt. Um auch die
feinsten Goldteilchen aus dem Schlamm zu gewinnen, wird von den Garimpeiros
Quecksilber eingesetzt.
Man schätzt die seit 1980 dort verbrauchte Menge Quecksilber auf 1.800 Tonnen. Das
gesamte Gift gelangt in die Flüsse und legt sie völlig tot, womit zusätzlich zur
zerstörten Landschaft und vernichteten Flora und Fauna auch den Indianern die Lebensgrundlage entzogen wird.
Durch das Anlegen von provisorischen Straßen und Flugpisten, die Vertreibung der
Indianer, das Roden des Waldes zum Bau von Siedlungen bereiten die Goldsucher den
Wald für die nachfolgenden Bauern und schließlich die Großunternehmen vor.
2.3 Der Raubbau an Nutzhölzern
Der kommerzielle Holzeinschlag ist weltweit nach der Brandrodung bisher die
wichtigste Ursache für die Zerstörung der Regenwälder. Nach Angaben der Weltbank ist
der kommerzielle Holzeinschlag verantwortlich für die alljährliche Vernichtung von 5
Millionen Hektar Tropenwald weltweit.
Nach Angaben der Holzmarktstatistik der FAO produzierte bzw. verbrauchte Brasilien
selbst 1987 241 Mill. Kubikmeter Holz. Davon waren 27% (66 Mill. m3) Rundholz für
Säge-, Furnier-, Zellstoff-und Papierindustrie und 73% (175 Mill m3) Brennholz und
Rohholz für Holzkohle.
Brasilien exportierte 1987 1,63 Mill. m3 Rohholzäquivalente (Gibt an, welche
Rohholzmenge durchschnittlich erforderlich ist, um daraus eine bestimmte Einheit
(m3,m2,t) eines bestimmten Produkts (Schnittholz, Furnier, Möbel, Papier,...)
herzustellen.) tropisches Nutzholz.
Der größte Teil des Holzes geht nach Nordamerika und Japan.
Um das Problem besser verstehen zu können, muß man die Hintergründe der oft
gepriesenen "selektiven Holznutzung" erleuchten.
Durch die Artenvielfalt, aber geringe Individuenzahl einer Art finden sich oft nur 1-2 Bäume pro Hektar, die für die Holzindustrie lohnend sind.
Um an diese Bäume zu gelangen und sie abzutransportieren, müssen Schneisen
geschlagen, Straßen gebaut und um den zu fällenden Baum herum das "Dickicht
gelichtet" werden. Dabei werden oft bis zu 50% der Vegetation vernichtet.
"Dies zeigen Uhl und Vieira (1989) aufgrund einer Untersuchung im Municipo von
Paragominas (Para). An einem Straßenabschnitt von insgesamt 700 Metern wurden gerade
1,7% der Bäume mit einem Stammdurchmesser von mehr als 10 cm selektiv gefällt. Die
Folge war: 11% der übrigen Bäume wurden bei der Extraktion durch Traktoren zerstört,
12% verloren ihr Blattkleid, 3,1% erlitten bedeutende Schäden an der Rinde. 'Um einen
so geringen Prozentsatz von Bäumen zu extrahieren, werden 26% der Bäume getötet oder
schwer beschädigt' (Uhl/Vieira 1989, S.38).
Außerdem wird beim Anlegen von Lager- und Umschlagplätzen sowie beim Bau von
Sägewerken weiterer Regenwald unwiederbringlich zerstört.
3 Ökologisch-verträgliche Nutzung der tropischen Regenwälder
Oft wird das Argument angeführt, um die Schulden zu bezahlen, müßten die Länder der
Dritten Welt ihre Regenwälder "inwertsetzen".
Diese "Inwertsetzung" bedeutet aber nichts anderes als die Vernichtung des
Regenwaldes, sei es durch den Verkauf der Hölzer, das Anlegen von Rinderfarmen oder
den Anbau von Früchten für den Export (Soja, Bananen,...).
In letzter Zeit werden Stimmen immer lauter, die eine Nutzung des Regenwaldes im
Interesse desselben fordern.
Welche Alternativen gibt es nun, die eine nachhaltige, ökologisch angepaßte Nutzung
des Potentials des Amazonasregenwaldes zulassen?
Die Kautschukzapfer sind eine der Bevölkerungsgruppen Amazoniens, die durch ihre Form
der Bewirtschaftung der Wälder aktiv zu deren Erhaltung beitragen. Die
Sammelwirtschaft ist die Form der Nutzung, die - obwohl seit Jahrtausenden durch die
Indianer praktiziert - zu keinen ökologischen Schäden geführt hat. Seit dem Rückgang
des Kautschukbooms haben sich die Zapfer auch auf das Sammeln der verschiedensten
Produkte des Waldes verlegt.
4 Das Ausmaß der bisherigen Zerstörung und Prognosen für die Zukunft
Noch um die Jahrhundertwende waren rund 12% der Erdoberfläche von tropischen
Regenwäldern bedeckt. Im Jahre 1980 waren es nur noch 6-7%. Ob im Jahr 2000 überhaupt
noch welche existieren werden, ist zur Zeit sehr fraglich.
Im folgenden sollen einige Zahlen genannt werden, die das Ausmaß der Zerstörung
verdeutlichen sollen. Die Werte weichen zum Teil erheblich voneinander ab, was sich
hauptsächlich aus unterschiedlichen Definitionen des Begriffs tropischer Regenwald
ergibt. Die folgenden Zahlen beziehen sich, wenn nicht anders angegeben, auf die
Gebiete, die in der Literatur als geschlossene tropische Regenwälder bezeichnet
werden und die immer- und regengrünen Feuchtwälder repräsentieren.
Nach Angaben der FAO gab es 1980 12 Mill. km2 geschlossene tropische Feucht- und
Regenwälder, davon 57% in Mittel- und Südamerika und 7,4 Mill. km2 offene Wälder; das
sind im wesentlichen die regengrünen Trockenwälder der Tropen. Andere Quellen
(Person) schätzen den Bestand Anfang der 70er Jahre auf 10,7 Mill. km2, Sommer spricht
von 9,4 Mill. km2 geschlossener tropischer Wälder.
Die Waldfläche des brasilianischen Amazonien wird zwischen 2,6 Mill. km2, 3,5 Mill.
km2 (Murca Pires und William Rodrigues vom Museu Goeldi in Belem) und sogar 5,38 Mill.
km2 (Instituto Brasileiro de Geografia e Estatistica, IBGE) beziffert.
Die FAO und die UNEP gingen Anfang der 80er Jahre von einem jährlichen Rückgang des
Bestandes der tropischen Regenwälder in der Größenordnung von etwa 70.000 km2 aus.
Aber allein in Brasilien sind 1987 und 1988 jeweils mehr als 250.000 km2 Tropenwald
vernichtet worden. Im Falle Amazoniens bewegen sich die Schätzungen zwischen 15,4%
(Mahar), 12% (Weltbank), 8% (Instituto Nacional de Pesquisas Amazonicas in
Manaus/Philip Fearnside) und 5,124% (Instituto Nacional de Pesquisas Espaciais)
abgeholzter Fläche des Regenwaldes.nach MEYER-PETERS, S.42/43)
Die Größenordnungen der Zerstörung sind zwar beunruhigend, aber noch nicht
alarmierend. Doch ist die Zuwachsrate entwaldeter Flächen so schnell steigend, daß in
manchen Regionen schon in Kürze mit der Gesamtvernichtung des Regenwaldes zu rechnen
ist, wenn nicht schnell Einhalt geboten wird.
"Legt man die Angaben von Mahar zugrunde, dann betrug der Anteil gerodeter Flächen an
den 3,88 Mill. km2 natürlicher Waldfläche des brasilianischen Amazoniens:
1975 erst 0,7%.
1980 waren bereits 3,2% entwaldet,
1984 5,2%, d.h. fast 200.000km2.
1988 aber waren schon ca. 600.000 km2, das sind 15,4% der Gesamtfläche, der Rodung zum
Opfer gefallen.
Allein 1988 ist nach verschiedenen Angaben eine Fläche von rund 270.000 km2
(Deutschland ca. 350.000 km2) tropischer Regenwald vernichtet worden." MEYER-PETERS, S.43)
Diesen Zahlen stehen auch andere Berechnungen gegenüber (Fearnside, Malingreau und
Tucker), die die Vernichtungsrate niedriger einschätzen.
In einem Punkt aber stimmen alle Werte überein:
Die Zuwachsrate der Entwaldung steigt nicht mehr gleichmäßig, sondern fast
exponential an, d.h. Schätzungen, die die Vernichtung der Regenwälder in 50-80 Jahren
prognostiziert hatten, müssen ganz stark nach unten korrigiert werden.
Wenn nicht sofort geeignete Maßnahmen zum Schutz der Regenwälder eingeleitet werden,
wird eine Rettung dieses Ökosystems immer unwahrscheinlicher.
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